Der Begriff der Candidate Journey beschreibt die “Reise” von Kandidat*innen während des Bewerbungsprozesses Ihres Unternehmens. Während des Prozesses gibt es mehrere Stufen, die überwunden werden müssen. Die Candidate Journey wird oft mit einem Trichter, oder auf Englisch Funnel, veranschaulicht, wobei dieser das Auswahlverfahren darstellen soll. Diese Reise läuft in unterschiedlichen Phasen ab:
Orientierung
Interesse
Bewerbung
Auswahl
Entscheidung
Einstellung
In allen Phasen gibt es Berührungspunkte mit Ihrem Unternehmen, die sogenannten Touchpoints, in denen Kandidat*innen mit Ihnen in Kontakt kommen. Sie können ein entscheidender Faktor für Interessent*innen sein, einer Stelle zuzustimmen oder sie abzulehnen. Der Verlauf der Reise und die Erfahrungen an den Touchpoints bilden die Candidate Experience.
Die sechs Phasen der Candidate Journey
1. Orientierung
In der ersten Phase werden Kandidat*innen nach neuen Jobs und interessanten Angeboten suchen. Das Spektrum reicht von der gezielten Suche nach einer Stelle bis zum Herumstöbern auf LinkedIn aus reinem Interesse am Angebot. Ob Stellensuchende oder solche, die sich nur auf einen aktuellen Stand des Arbeitsmarktes bringen wollen, beide Gruppen durchlaufen bereits eine erste Phase auf ihrer Reise.
2. Interesse
Ihre Firma kommt dann ins Spiel, wenn eine Stellenanzeige oder andere Informationen über Ihr Recruiting bei einer Person auf Interesse stoßen. In dieser Phase beschäftigen sich Bewerber*innen näher mit Ihrem Unternehmen, dem Employer Branding und wie es bewertet wird. Außerdem wird Ihre Webseite aufmerksam gelesen. Das Interesse kann übrigens ebenso von Headhunter*innen geweckt werden. Immer mehr Arbeitnehmer*innen werden aktiv auf freie Stellen aufmerksam gemacht.
3. Bewerbung
Ist eine passende Stelle gefunden, beginnt der eigentliche Prozess der Bewerbung. In dieser Phase werden unterschiedliche Kanäle für die Bewerbung benutzt, je nachdem, wo die Stelle gefunden wurde und welche Kommunikationsangebote es gibt.
4. Auswahl
Nachdem der Eingang der Bewerbung bestätigt wurde, müssen Kandidat*innen die Auswahlphase durchlaufen. Ein Teil dieses Prozesses läuft ohne ihre Beteiligung ab, wenn die Unterlagen auf formale Richtigkeit und grundsätzliche Eignung überprüft werden. Im nächsten Schritt folgen dann Tests, Einladungen ins Assessment Center und Interviews.
5. Entscheidung
Am Ende des Auswahlverfahrens müssen Entscheidungen getroffen werden, und zwar sowohl von Ihnen als Arbeitgeber*in als auch von den ausgewählten Kandidat*innen, ob die Stelle angenommen wird. Sind sich beide Seiten einig, kann ein Vertrag aufgesetzt werden.
6. Einstellung
Mit der Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag ist das Ende der Candidate Journey erreicht, wobei oftmals die ersten Tage im Unternehmen noch dazu gezählt werden. Der Onboarding-Prozess stellt dann den Übergang zum Arbeitsalltag dar.
Candidate Journey Touchpoints: Wo Bewerber*innen mit Ihrem Unternehmen in Kontakt kommen
Bewerber*innen kommen auf ihrer Reise durch Ihren Bewerbungsprozess immer wieder mit Ihrem Unternehmen direkt und indirekt in Kontakt. Diese Kontakte werden als Berührungspunkte oder Touchpoints während der Customer Journey bezeichnet. Sie sind überaus wichtig für Sie, denn hier können Sie qualifizierte Kandidat*innen bereits enger an sich binden – oder früh verlieren.
Das sind die häufigsten Touchpoints in der Candidate Journey
Orientierungsphase: Webseiten, soziale Netzwerke, Jobbörsen, Stellenanzeigen in Zeitungen
Interesse: Arbeitgeber*innen-Bewertungen, Jobportal, Über-Uns-Seite, Social Media Aktivitäten, Job-Messen
Bewerbung: Recruiting-Software, Job-Seite, E-Mail, interne Kanäle von Business-Netzwerken oder sozialen Netzwerken (Messenger)
Auswahl: Online-Tests, Online und Offline-Interviews, Assessment-Center,
Entscheidung: E-Mails, Gespräche, Anrufe mit Recruiter*innen und zukünftigen Kolleg*innen, Probewoche
Einstellung: Vertragsgestaltung, Onboarding-Prozess
Candidate Journey Touchpoint #1: Erster virtueller Kontakt
Die ersten Kontakte mit Ihrem Unternehmen passieren, ohne dass Sie davon etwas mitbekommen. Interessent*innen schauen sich auf Webseiten und an anderen Stellen nach Jobs um und klicken auf solche, die für sie besonders herausragen. Dieser erste Kontakt ist der wichtigste für Sie, wenn es ums Recruiting geht. Hier zahlen sich gut formulierte Stellenbeschreibungen aus, gerade die Titel, denn diese werden zuerst gelesen.
Eine erfolgreiche und professionelle Stellenanzeige hat:
Einen interessanten und verständlichen Titel
Eine klare Beschreibung der Aufgaben
Informationen über den Arbeitsalltag und die Unternehmenskultur
Kontaktpersonen für Bewerbungen und Nachfragen
Der Inhalt ist übrigens wichtiger als die Gestaltung, und weniger ist bei einer Stellenanzeige mehr: Beschreiben Sie, was für die Kandidat*innen wichtig ist, nicht was für Sie wichtig ist.
Da diese ersten Kontakte über mehrere digitale Kanäle erfolgen, müssen Sie konsistent sein. Die Beschreibungen, vor allem, was Ihr Unternehmen betrifft, müssen auf allen Kanälen gleich sein. In sozialen Netzwerken kann die Sprache zwar etwas lockerer sein, die Informationen müssen aber stimmen.
Candidate Journey Touchpoint #2: Ihre Reputation als Unternehmen
in der Candidate Journey
Wenn Kandidat*innen Interesse an einem Stellenangebot gefunden haben, werden sie heute versuchen, etwas mehr über Ihr Unternehmen herauszufinden. Hier zahlt sich das Employer Branding aus:
Ein einheitlicher Auftritt auf allen Plattformen und Ihren eigenen Seiten
Eine klare und verständliche Sprache
Herausstellen von Faktoren, die über die eigentliche Stelle hinausgehen (z. B. Sonderleistungen, Remote Work)
Testimonials von Ihren Mitarbeiter*innen
Gute Bewertungen bei den einschlägigen Portalen
Kandidat*innen werden Ihre Firma natürlich googeln, deshalb spielen Pressemitteilungen und Medienberichte immer eine Rolle. Hier kommen selbst vermeintliche Kleinigkeiten ins Spiel, wie eine Optimierung Ihrer Webseite für mobile Geräte oder eine Erreichbarkeit über WhatsApp. Gleichzeitig müssen Sie nicht auf jeder Hochzeit tanzen: Keine Präsenz auf TikTok kann besser sein, als wenn es einen peinlichen Auftritt der tanzenden HR-Chef*innen gibt.
Candidate Journey Touchpoint #3: Die Bewerbung ist wie ein Verkaufsgespräch
Jede Kontaktaufnahme ist ein Sales-Pitch für Sie. Kandidat*innen, die Bewerbungen einreichen oder Fragen haben, sollten wie Kund*innen behandelt werden. In Zeiten des Fachkräftemangels können Sie es sich nicht mehr leisten, die Fragen in der E-Mail erst nach einer Woche zu beantworten. Dabei können Sie natürlich automatisierte Prozesse und eine Recruiting-Software verwenden. Diese sind heute in der Lage, teilpersonalisierte E-Mails zu versenden. Eine Kontaktaufnahme ist wie der Kaufwunsch im Marketing: Hier wird die Grundlage für die Kaufentscheidung gelegt – oder eben, ob Bewerber*innen die Reise fortsetzen wollen oder abbrechen.
Wer von einem Unternehmen freundlich alle Fragen beantwortet bekommt und spürt, dass es Interesse an der Person hat, wird mit Sicherheit eine Bewerbung abschicken, wenn die Stelle zu passen scheint. In einer solchen frühen Kommunikation können Sie Missverständnisse ausräumen und über entsprechende Antworten ungeeignete Interessent*innen aussortieren (oder diese werden von sich aus sehen, dass die Stelle nichts für sie ist).
Geht eine Bewerbung ein, muss das bestätigt werden. Nichts ist schlimmer als eine Bewerbung abzuschicken und dann nichts vom Unternehmen zu hören. Auch wenn heute E-Mails kaum mehr verloren gehen, ist es eine der weniger erfreulichen Erfahrungen in einer Candidate Journey, zwei Wochen lang nichts zu hören und dann eine Absage zu bekommen. Jede Bewerbung muss freundlich und zuvorkommend bestätigt werden, egal, auf welchem Kanal sie eingeht.
Candidate Journey Touchpoint #4: Interviews und Tests
Bewerber*innen sind es gewohnt, dass sie mehrere Stufen in einer Bewerbung durchlaufen und gerade am Anfang der Kontakt noch weniger persönlich ist. Dennoch sollten Sie versuchen, so weit wie möglich auf die Kandidat*innen einzugehen und möglichst persönliche Nachrichten zu verschicken. Ein Online-Test kann eine freundliche und mit dem Namen versehene Begrüßung haben. Bei Interviews ist es heute wichtig, auf den*die Bewerber*in einzugehen und nicht nur seinen*ihren Lebenslauf abzufragen.
Candidate Journey Touchpoint #5: Die Entscheidung
Wenn Sie bis hierhin gute Arbeit geleistet haben und Ihre*n Wunschkandidat*in überzeugen konnten, dann wird er*sie ebenso gewillt sein, einen Vertrag zu unterschreiben. Bei einer gefallenen Entscheidung wird es oftmals noch Vertragsdetails zu besprechen geben. Hier ist anzuraten, zielorientiert zu arbeiten und zu zeigen, das Sie bereits mit der Person in einem Team arbeiten, statt nur PDFs hin und herzuschicken.
Candidate Journey Touchpoint #6: Das Onboarding
Am Ende der Candidate Journey steht das Onboarding. Selbst wenn eigentlich schon alles unter Dach und Fach ist, kann dieser Prozess noch eine Entscheidung innerhalb der Probezeit rückgängig machen. Wer als Neue*r in der Firma freundlich aufgenommen wird, eine*n Mentor*in für die ersten Wochen hat und eingearbeitet wird, bleibt länger und empfiehlt Ihr Unternehmen gerne weiter.
Die Candidate Journey messen
Wie gut Ihre Bemühungen entlang der Candidate Journey sind, können Sie in den unterschiedlichen Phasen und entlang der Kontaktpunkte messen. Die Reise geht durch eine Art Trichter, in dem sich unterschiedliche Messpunkte befinden. Diese können Sie für jede Stelle vergleichen und die Entwicklung über einen längeren Zeitraum beobachten. So können Sie sehen, welche Stellenausschreibungen gut ankommen, wie viele Bewerber*innen bei Interviews abspringen und wer die Probezeit besteht.
Die einzelnen Candidate Journey Messpunkte und -größen sind:
Impressions
Die Zahl der angezeigten Anzeigen auf Jobbörsen, Business-Netzwerken und anderen Kanälen. Sie können außerdem die Auflage von Zeitungen dazurechnen.
Hits
Diese Zahl gibt an, wie viele Personen tatsächlich auf die Anzeigen geklickt haben. Es ist eine gute Messgröße, ob die Formulierungen die Kandidat*innen ansprechen oder nicht. Zu den Hits zählen die Klicks auf Ihre Stellenanzeige und auf Beiträge in sozialen Medien, die auf Ihre Stelle hinweisen. Sie können auch Besucher*innen bei einer Jobmesse hinzurechnen, vor allem wenn sie sich nach einer bestimmten Ausschreibung erkundigen.
Aktionen
Hiermit messen Sie, wie viele Bewerbungen tatsächlich abgeschickt wurden. Sie können messen, wie viele Fragen es zu einer Stelle gab, und wie gut die Qualität der Bewerbungen ist.
Im nächsten Schritt zählen Sie dann die Kandidat*innen, die es in die nächsten Runden geschafft haben. Auch hier können die Daten auf der einen Seite zeigen, wie erfolgreich Ihre Ausschreibung war und wie gut die Qualität der Bewerber*innen ist.
Erfolg
Die Erfolgsmessung bezieht sich zunächst auf die eingestellten Bewerber*innen. Hier können Sie noch Time-to-Hire und Cost-to-Hire ermitteln, um festzustellen, wie effizient Ihr Bewerbungsprozess ist. Sie können außerdem in Umfragen die Bewerber*innen bitten, ihre Erfahrungen zu bewerten und Kommentare hinzuzufügen.
Der Unterschied zwischen Candidate Journey und Candidate Experience
Die Candidate Journey beschreibt den Weg und den Prozess einer Bewerbung, die Candidate Experience sind die Erfahrungen, die Bewerber*innen machen. Das sind natürlich subjektive Sichtweisen, aber sie sind entscheidend für die Meinung, die sich jemand über Ihr Unternehmen bildet.
Für ein Unternehmen bedeutet das, den Bewerbungsprozess aus der Sicht der Bewerbenden zu sehen und zu überlegen, welchen Eindruck jemand in den einzelnen Schritten bekommt. Das ist einfacher gesagt als getan, weil Recruiter*innen in der Regel davon ausgehen, das Richtige zu tun.
Die Sicht der zukünftigen Arbeitnehmer*innen ist aus mehreren Gründen wichtig:
Sie ist Teil des Employer Brandings und des Reputation Managements
Kandidat*innen, die eine gute Erfahrung machen, entscheiden sich eher für eine Stelle
Bewerber*innen, die eine positive Candidate Experience hatten, werden Ihr Unternehmen eher weiterempfehlen
Angestellte, die eine gute HR-Anreise hatten, bleiben häufig länger im Unternehmen
Die Candidate Experience zu messen ist direkt und indirekt möglich. So können Ihnen die allgemeinen Daten, zum Beispiel wie viele Bewerber*innen wieder abspringen, schon etwas darüber sagen wie gut die Erfahrung war. Sie können Bewerber*innen, eingestellte und ablehnte, an einer Umfrage teilnehmen lassen und ihnen Fragen zum Einstellungsprozess stellen.
Warum Employer Branding so wichtig für die Candidate Journey ist
Ihr Employer Branding und die Eindrücke und Erfahrungen von Bewerber*innen hängen eng zusammen. In der Regel ist das Employer Branding der erste Eindruck sowohl für die Erfahrung der Bewerber*innen (die sich auf die Perspektive der Benutzer*innen für jeden Schritt im Bewerbungsprozess bezieht) als auch für die Reise der Bewerber*innen (die im Wesentlichen der Recruiting-Trichter ist). Das Employer Branding soll eine positive Grundstimmung schaffen, soll Menschen überzeugen und Sie von anderen Unternehmen abheben.
Jeder Schritt auf der Kandidat*innen-Reise basiert nicht alleine auf den Fakten aus der Stellenbeschreibung, sondern einem Gesamtbild, das sich Interessierte machen. Deshalb ist es so wichtig, dass Employer Branding nicht nur auf Ihre eigene Webseite beschränkt ist. Sie werden auf allen Kanälen Ihre Vorzüge als Arbeitgeber*in gleich bewerben, einheitliche Informationen bereitstellen und soweit es möglich ist, auf die Bewerber*innen eingehen. Firmen, die eine Recruiting-Software als App verwenden, alle digitale Kanäle bespielen und Video-Interviews anbieten, werden eher als modern und zukunftsorientiert gesehen als ein Unternehmen, dass sich auf Zeitungsanzeigen verlässt und vielleicht sogar noch eine Faxnummer angibt.
Heute ist die öffentliche Wahrnehmung alles und diese wird zum einen durch Ihr Handeln als Arbeitgeber*in bestimmt, zum anderen von der Erfahrung, die Bewerber*innen machen. Wer auf seine E-Mail keine Antwort bekommt oder den Recruiter*innen erklären muss, wie man den Bildschirm bei einem Videoanruf teilt, wird das heute öffentlich machen. Gerade Fachkräfte, die sich einen Job aussuchen können, haben hohe Ansprüche und teilen ihre Erfahrungen mit anderen.
Bei der Candidate Journey können Sie in Sachen Employer Branding punkten, wenn
Sie es einfachst machen, Informationen über eine Stelle und Ihr Unternehmen zu erhalten
der Bewerbungsprozess klar und verständlich ist
Sie deutlich sagen, was Sie erwarten
Ihre Stellenanzeigen ansprechend formuliert sind
Sie Interesse an den Menschen haben, mit denen Sie sprechen
Sie sich bei Ablehnungen freundlich bedanken
Sie alle modernen Kanäle bespielen können
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